ZEIT-Online: Guido Westerwelle - Agitation mit voller Lautstärke

Veröffentlicht am 13.02.2010 in Bundespolitik

Artikel aus der ZEIT vom 13.2.2010:

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-02/fdp-westerwelle-koalition?page=1

FDP-Chef Westerwelle provoziert und poltert. Es ist ein Versuch, die Liberalen aus dem Umfragetief zu holen. Doch er schadet der Partei damit mehr als ihr nutzt.

Es kommt selten vor, dass die Kanzlern sich in einen schwelenden Streit einmischt. Meist wartet sie ab, bis sich die Wogen wieder geglättet haben. Dieses Mal aber schwieg sie nicht. Mit – für Merkel – sehr deutlichen Worten distanzierte sie sich von ihrem Außenminister, der in den vergangenen Tagen vor allem als polternder FDP-Chef auf sich aufmerksam macht.

Auslöser ist Westerwelles jüngste Tirade: In einem Beitrag für die Welt hatte er seinen Ärger über die aktuelle Hartz-IV-Debatte von der Seele geschrieben: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein", schimpfte er. Gemeint waren jene, die 359 Euro monatlich für einen zu niedrigen Hartz-IV-Satz halten, und das ist insofern bemerkenswert, als dass es in Deutschland bislang eher nicht Hartz-IV-Empfänger waren, die durch Dekadenz auffielen.

Merkel jedenfalls ließ ausrichten, dass dieser Art der Beschimpfung "sicherlich weniger der Duktus der Kanzlerin" sei. Und weiter: Es sei "sicher individuell unterschiedlich, die Sprachführung, die da jeder wählt."

Vielleicht hat Merkel, die so ungern kritisiert und zurechtweist, die Erinnerung an die Koalitionsausschusssitzung neulich geholfen, als Westerwelle vor versammelter Mannschaft ihren Umweltminister Röttgen niedermachte. Vielleicht hat sie sich da vorgenommen, ihrem Vizekanzler demnächst eine zurückzugeben. Sein Artikel in der Welt – und in der Passauer Neuen Presse am Tag danach – mag ein guter Anlass dafür gewesen sein.

Was aber steckt hinter Westerwelles Äußerungen? Welche Strategie kommt zum Vorschein, wenn man seine Schimpftiraden auf den Seziertisch legt? Hilft er damit seiner Partei aus dem Umfragetief? Nein, sagt Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Das, was Westerwelle derzeit betreibe, sei nicht die falsche Strategie, es sei überhaupt keine Strategie. Es sei eine reine Panikreaktion. Der FDP-Chef fürchtet, im Dreierbündnis mit CDU und CSU an den Rand gedrängt zu werden.

Das war schon am Wahlabend zu erkennen. Eben hatten die Liberalen ein grandioses Wahlergebnis, das beste in ihrer Geschichte, eingefahren, doch schon in der Elefantenrunde sah Westerwelle Anlass, schlecht gelaunt zu sein – bloß weil CSU-Mann Peter Ramsauer von "Leihstimmen" aus der Union gesprochen hatte, von denen die Liberalen profitiert hätten.

Seither kämpft Westerwelle an allem, was die reine FDP-Lehre verwässern könnte. Keine Gelegenheit lässt er aus, den Streit um Steuerentlastungen und eine Gesundheitsreform anzuheizen. Aus dem Krisentreffen der Parteispitze am Sonntag, auf dem die miesen Umfragewerte und die Reaktion darauf besprochen wurden, kam er nicht mit der Einsicht, künftig harmonischer und kompromissbereiter in der Koalition zu wirken. Im Gegenteil: Weiter so, nur noch lauter, war das Ergebnis der Sitzung.

Westerwelles Hartz-IV-Einlassungen sind die logische Folge davon. Das war kein harmloses Schmipfen mehr. Es war Agitation bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler. Wer so tut als gäbe es in Deutschland Denkverbote, wer sich geriert, als sei er der letzte Anständige, der unbequeme Wahrheiten ausspreche, der zeigt ungesunde, paranoide Züge.

Und er schadet damit seiner Partei mehr als er ihr nützt. Denn Westerwelles Dauerattacken taugen nicht dazu, die FDP in Umfragen wieder besser dastehen zu lassen. Sie taugen nicht einmal dazu, die ganz treuen Anhänger der Partei zu begeistern. Zu groß ist das Harmoniebedürfnis der Deutschen, die von ihrer Regierung erwarten, dass sie Probleme löst, anstatt das Problem zu sein. "Auch FDP-Wähler wollen keinen Streit.", sagt Forsa-Chef Güllner.

Das Ansehen der Liberalen leidet demnach weniger darunter, dass sie in der Regierung womöglich nicht all ihrer Wahlziele verwirklichen können, es leidet unter der Lautsprecherei. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum sich die Wähler in Scharen von ihr abwenden. Im besonderen Maße gilt das für Wechselwähler, die von SPD und Union kamen. Die FDP verliert die Mitte.

Hinzu kommt, dass die liberalen Regierungsmitglieder bislang weitgehend enttäuscht haben. Vor der Wahl war die FDP eine Partei ohne Personal. Sie erreichte ihr beeindruckendes Wahlergebnis weitgehend ohne Politprominenz. Jetzt hat sie das Personal, fünf Minister nämlich, doch sie fallen vor allem damit auf, den Streit mit dem Koalitionspartner zu befeuern, anstatt die Wähler mit Regierungskompetenz zu überzeugen. Das gilt nicht nur für Wirtschaftsminister Brüderle und Gesundheitsminister Rösler, sondern auch für Westerwelle. Ganz anders als seine Vorgänger im Auswärtigen Amt, Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier, kann er nicht vom üblichen Bonus des Außenministers profitieren.

Schuld daran ist Westerwelle selbst. Er ist derzeit, so scheint es, nur im Nebenberuf Deutschlands Außenminister. Hauptberuflich ist er Chef-Polterer einer Klientelpartei, die sich elf Jahre lange nichts sehnlicher gewünscht hat, als wieder an die Macht zu kommen. So stark war dieser Wunsch, dass alles dem guten Abschneiden bei der Bundestagswahl untergeordnet wurde. Konzepte für die schwierige, kompromissreiche Zeit danach wurden nicht gemacht, beklagt beispielsweise Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn. Westwelle habe seinerzeit ein Denkverbot für die Zeit nach der Wahl ausgesprochen, sagt er.

Die FDP muss fürchten, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai böse abgestraft zu werden – wenn sie ihre Strategie bis dahin nicht ändert. Wie schrieb doch Westerwelle in der Welt: "Eine Gesellschaft ohne Mitte fliegt auseinander, und der Politik fliegt sie um die Ohren." Der Satz lässt sich leicht abgewandelt auch auf seine Partei übertragen: "Eine FDP ohne Mitte fliegt auseinander, und der Führung fliegt sie um die Ohren."

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Artikel in SPIEGEL-Online vom 13.2.2010

Dekadenz-Debatte: Westerwelle wirft Kritikern Scheinheiligkeit vor

Interessant, wie sich die Partner in ihrer Traum-Konstellation alle gegenseitig zerfleischen. So sind sie wenigstens vom Regieren abgelenkt und können nicht zu viel Unheil anrichten...

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,677697,00.html

 

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