Bienensterben im Ländle - Rede von Christoph Bayer im Landtag

Veröffentlicht am 10.06.2008 in Landespolitik

Redebausteine von Christoph Bayer, MdL

Debatte Plenarsitzung des Landtags am 4.6.2008 zum Thema Bienensterben

Meine Damen und Herren,

Der Landesverband Badischer Imker hat früh Alarm geschlagen:
"Das Sterben unserer Honigbienen ist nur äußeres Zeichen der Umweltkatastrophe, von der auch alle Blüten bestäubenden Insekten betroffen sind. Da die Maisfelder in der Rheinebene direkt an die Wohnbauung angrenzen, legt sich die Feinstaubwolke mit dem Nervengift auch auf Terrassen, Kinderspielplätze und Hausgärten, wo gerade die ersten Erdbeeren reif sind."
Und Ekkehard Hülsmann, der Vorsitzende der Badischen Imker sagte auf dem Höhepunkt der Krise im Deutschlandfunk:

"Wir haben überall ein Massensterben an Honigbienen, eine Umweltkatastrophe Nummer Eins und keiner reagiert, weil gesagt wird, wir müssen jetzt erstmal abwarten, bis wir knallharte Fakten haben. Das heißt, die lassen einfach weiter sterben. … der Minister taucht auch nicht vor Ort auf, sondern gibt Presseerklärungen vom fernen Stuttgart ab, das ist die Tragik, die wir jetzt als Imker breitbändig in der Rheinebene erleben."

Inzwischen - der Minister war zwischenzeitlich mehrfach vor Ort -
sind zwei Drittel der Bienen zwischen Lörrach und Karlsruhe verendet.
In diesem Haus ging es schon oft um Umweltprobleme, Naturschutzprobleme.
Auch um technische Unglücke durch die Schadstoffe, die in die Umwelt gelangten…was wir heute hier diskutieren, ist seiner Dimension noch nicht abschätzbar.

Wir wissen, dass Honigbienen und damit die Imkerei seit Jahren mit der Varroa-Milbe und den damit einhergehenden Krankheiten und Infektionen geplagt sind. Nicht wenige Imker haben ihre Bienenhaltung deshalb längst an den Nagel gehängt. 52% sind älter als 62 Jahre und allenthalben wurde überlegt, wie man die Imkerei und Bienenhaltung fördern und unterstützen kann. Ausgerechnet in dieser Situation geschah das, was die Imker „Umweltdrama“, „tickende Zeitbombe“ oder „Naturkatastrophe“ nennen und was zu einem wirtschaftlichen Schaden in einem in zweistelliger Millionenhöhe geführt hat.

Und das alles – sozusagen - durch behördliche Anordnung.

In der Absicht, den neu aufgetretenen Maiswurzelbohrer massiv zu bekämpfen und an der Ausbreitung zu hindern, wurde das Beizmittel Clothianidin beim Maissaatgut eingesetzt.

Nicht nur die Naturschutzverbände in Deutschland hatten schon Wochen vorher davor gewarnt. Das hat die Regierungsstellen aber nicht davon abgehalten, den Landwirten in den Landkreisen Lörrach und Ortenau vorzuschreiben, ausschließlich das mit diesem Wirkstoff gebeizte Maissaatgut zu säen.
Die Folge für die Imker: ein „Super-Gau“ im Oberrheingraben, der eigentlich als Bieneneldorado bekannt ist. Die Landesregierung antwortete auf diese Katastrophe, indem sie über Wochen hinweg das Bienensterben zu einem unerklärlichen Rätsel erklärte.

Natürlich hat auch der nicht fachgerechte Einsatz dieses Mittels zu einer beträchtlichen Verwehung und Verteilung des Giftes geführt, soviel wissen wir heute. Natürlich waren Trockenheit und die Windrichtung weitere Problemfaktoren. Aber an grundsätzlichen Warnungen hat es nicht gefehlt. Die französischen Veterinärämter z.B. haben von Beginn des Frühjahrs an den Imkern eindringlich davon abraten, mit ihren Bienenvölkern in entsprechend behandelte Gebiete einzuwandern, ja diese Gebiete sogar für die nächsten Jahre zu meiden, denn Clothianidin baut sich nur sehr langsam im Boden ab bzw. die Abbauprodukte sind teilweise noch toxischer als das Clothianidin selber.
Frankreich hat Gift bereits 2004 verboten. Auch aus Italien liegen Problemberichte vor.

Es handelt sich bei diesem Super-Gau nicht um höhere Gewalt, sondern um konkretes Versagen.

Erstens auf einer grundsätzlichen, gesellschaftlichen, landwirtschaftspolitischen Ebene. Hier geht es um die Frage: Was für eine Landwirtschaft wollen wir?
Wirklich eine Landwirtschaft, die auf Monokulturen und industrielle Produktion setzt - mit allen hierzu notwendigen Insektizideinsätzen - bei vorhersehbarem ökologischem Risiko?
• Maisanbau verursacht den höchsten Insektizideinsatz im Ackerbau.
• Wird Mais z.B. in zweijähriger Fruchtfolge angebaut, ist die Gefahr des Auftretens des Maiswurzelbohrers sehr gering.
• In dreigliedriger Fruchtfolge gar er gar keine Chance mehr.

Zweitens geht es um ein Versagen auf der praktisch - pragmatischen Ebene, um technische Unzulänglichkeiten, sei es beim Beizen der Saatkörner (die Haftfähigkeit des Giftes) oder bei der Abluft der pneumatisch arbeitenden Sämaschinen, die die Abdrift seitlich ausgeblasen haben.

Und - drittens - geht es um die konkrete politische administrative Verantwortung, die bei der Landesregierung liegt und zu der sie auch stehen muss.

Auf dem Spiel steht keineswegs der Honig der Imker und die betroffenen Bienen und Bienenvölker, auch wenn das allein schon schlimm genug wäre. Das gesamte Ökosystem ist betroffen: Die Honigbienen sind bekanntlich die entscheidenden Bestäuber in unseren Obstbeständen. Ohne Bienen kein Fruchtansatz. Welche Folgeschäden das Bienensterben am Rhein und Bodensee für die dortigen Obsterzeuger hat, werden wir erst noch feststellen müssen.
Schon jetzt sollte man mit Hochdruck daran arbeiten, dass es im kommenden Frühjahr wieder genug Bienenvölker geben wird. Beispiele in den USA, wo in manchen Gegenden Imker mit mobilen Bienenvölkern gegen gutes Geld in Obstplantagen fahren, um dort die Befruchtung zu sichern, geben einen Vorgeschmack auf das, was auch uns blühen könnte, wenn wir weiterhin so lax mit der Natur umgehen. (…obwohl auch ich glaube, dass es sich lohnt über Bestäubungsprämien nachzudenken…)

Wenn von dem verdrifteten Clothianidin ganze Bienenvölker absterben, dann kann man sich leicht ausmalen, welche Wirkung es auf zahllose andere Tiere hat. Ob Wildinsekten, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger oder auch Vögel.
Alle Welt redet in den letzten Wochen von Biodiversität und Artenvielfalt. Das Land gibt schöne Broschüren heraus und der Minister setzt sich ehrgeizige Ziele, wie schnell man den Artenschwund bremsen will. Das ist schön. Noch viel schöner wäre es, wenn sich das auch im harten Alltag der Politik wiederfinden würde.

Da gibt es zwar einen Minister für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Naturschutz. Sobald es zur Abwägung zwischen divergierenden Ansprüchen und Zielen kommt, haben wir einen klassischen Landwirtschaftsminister alter Prägung. Fest an der Seite von Agrarlobby und Wirtschaft. Der Natur- und der Verbraucherschutz ist dann zweitrangig.

Im Zweifel für die Giftspritze oder die Holzhammermethode: Ob Maikäferbekämpfung bei Karlsruhe, Nacht- und Nebelaktionen gegen den Kormoran - noch nicht einmal erfolgreich - oder nun die völlig aus dem Gleis geratene Aktion gegen den Maiswurzelbohrer:

Immer wird die Beeinträchtigung der Natur, die mit solchen Eingriffen einhergeht, eher kleingeredet oder unterschätzt und das Naturschutzrecht zumindest sehr großzügig ausgelegt, um die Eingriffe überhaupt rechtfertigen zu können. Ein Zustand, der zu den proklamierten Artenschutzzielen definitiv nicht passt.

Albert Einstein wird der Satz zugesprochen:
Erst stirbt die Biene, dann der Mensch.

Die Verknüpfung mit Einstein ist vermutlich falsch, richtig aber ist, dass Bienen ein wichtiger, sensibler Indikator für funktionierende Ökosysteme sind - Systeme, die wir nicht völlig einer Markt- und Profitlogik unterordnen dürfen. Auch hierzu sollte uns das Bienenserben mahnen.

Denn Eines ist auch klar: Profitinteressen stehen im Hintergrund:
Der Präsident des Deutschen Berufsimkerbundes, Manfred Hederer, sagt. (ich zitiere aus den Stuttgarter Nachrichten vom 20-5-08):

„Es geht um Patente und Renditen. Die großen Wirtschaftunternehmen, die solche Insektengifte herstellen, lenken die Politik und die Forschungsanstalten. Es wird gelogen und geschoben“

Man mag diese drastische Einschätzung nicht oder nicht in vollem Umfang teilen, aber:

Minister Hauk hat definitiv zu spät, nicht ausreichend, fahrig und zaudernd reagiert und er hat sich nicht aus eigener Kraft dazu durchringen können, im Zweifel für die Verbraucher und gegen die Chemieindustrie Maßnahmen zu ergreifen. Die Notbremse haben andere gezogen.

Ein solches Handeln haben die Stuttgarter Nachrichten zu Recht als „Skandalreigen“ bezeichnet. Meine Damen und Herren, man mag vielleicht nicht so weit gehen, wie manche Betroffene, deren Stände ich besucht habe, die den Minister als „Bienenkiller“ bezeichnet haben. Aber es kann nicht sein, dass von Seiten der Regierung so getan wird, als würde man sich auf die Seite der Imker stellen, indem man zinslose Darlehen in Aussicht stellt, wo es doch um deren berechtigte Schadenersatzansprüche gehen muss.

Mindestens das jetzt vernünftig zu managen - ist Ihre Aufgabe, Herr Minister: Hic Rhodos, hic salta. Ich übersetze sehr frei: „Hier ist die Herausforderung - aber jetzt bewältige sie auch.“

Mit unseren Änderungsantrag wollen erreichen, den Schaden für die betroffenen Imker so gering wie möglich zu halten und die Imkerei insgesamt nicht weiter schwächen.

• Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, ihrer politischen Verantwortung gerecht werden und beim Schadenersatz in Vorleistung zu treten.

• Weiter meinen wir, dass Mittel und Beratungskapazitäten aufgewendet werden müssen, um zügig den Wiederaufbau der vernichteten Bienenbestände zu ermöglichen.

• Und drittens möchten wir, dass umgehend auch weitere Schäden ermittelt werden. Schäden im Obstbau. Schäden bei Wildbienen und Hummeln und sonstigen Wildtieren in den betroffenen Regionen.

Deswegen, Herr Minister: Hic Rhodos, hic salta!

 

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